Das Universitätsarchiv Duisburg-Essen wurde am 26.04.2006 offiziell eröffnet, nachdem das Rektorat die Universitätsbibliothek im Februar des gleichen Jahres damit beauftragt hatte, die Gründung eines Hochschularchivs zu organisieren. Als Abteilung der Universitätsbibliothek bewertet, übernimmt und verwahrt es seitdem die in Verwaltung, Forschung und Lehre entstandenen archivwürdigen Akten und sonstigen Unterlagen aller Teile der Hochschule einschließlich der Vorgängerinstitutionen, deren Geschichte zum Teil bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Als Archivgut werden die übernommenen Materialien erschlossen und nach Ablauf der Schutzfristen der universitäts- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschung sowie der interessierten Öffentlichkeit zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Um möglichst alle Facetten des universitären Lebens dokumentieren zu können, sammelt das Archiv ergänzend zu den Verwaltungsunterlagen Material privater Herkunft. Es übernimmt daher auch die Nachlässe von Professor:innen oder Sammlungen von Fotos, Flugschriften, Plakaten und Korrespondenzen.
Seit 2022 ist am Universitätsarchiv das hochschulübergreifende Projekt Digitale Langzeitarchivierung an den NRW-Hochschulen (LZA.NRW) angesiedelt, das Lösungskonzeptionen für die Übernahme, dauerhafte Erhaltung und Bereitstellung von digitalen Unterlagen erarbeitet.
Die Schätze
Duisburg-Essen: Eine Zwangsfusion?
Im Jahr 2000 begannen – ausgehend von der Empfehlung eines von der Landesregierung NRW beauftragten Expertenrates – Verhandlungen zwischen den Universitäten – Gesamthochschulen – Duisburg und Essen, um die Möglichkeit einer Fusion zu prüfen. Die Hoffnung des Landes lag darin, dass eine geeinte Universität Duisburg-Essen sich strukturell besser in der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft behaupten könne.
Die Gespräche zwischen den beiden Hochschulen brachten aber zunehmend Unstimmigkeiten in der Durchführung einer Fusion hervor. 2002 kam es zur Eskalation, im Mai wurde die Essener Rektorin Prof. Ursula Boos-Nünning abgewählt, weil ihr mangelnde Durchsetzungskraft bei der Vertretung ihrer Hochschulen vorgeworfen wurde.
Als abzusehen war, dass die Verhandlungen nicht frühzeitig zu einer Einigung führen würden, wurde eine Fusion der Hochschulen zum 1. Januar 2003 „von oben“ per Gesetzestext auf den Weg gebracht.
Das Flugblatt ist ein typischer Ausdruck der besonders in Essen gehegten Ängste, dass die kleinere Gerhard-Mercator-Universität – Gesamthochschule – Duisburg die größere Universität – Gesamthochschule – Essen „schlucken“ würde. Aus Angst vor Verlusten von Arbeits- und Studienplätzen protestierten sowohl Angestellte als auch Studierende in Essen gegen eine gesetzliche „Zwangsfusion“.
2003 kam es trotz aller Proteste zur Fusion beider Hochschulen, ein in der deutschen Hochschulgeschichte einzigartiger Vorgang.
Signatur: E 09.4.1 – Nr. 2
„Gegen die Bildungskasernen“
In den 1960er Jahren begann in Nordrhein-Westfalen ein intensiver Ausbau der Hochschullandschaft. Neue Universitäten sollten eine Antwort auf die öffentlich diskutierte „Bildungskatastrophe“ darstellen und den wachsenden Bedarf des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften decken.
Studentischen Vertretern ging der reine Ausbau an Studierendenkapazitäten aber meist nicht weit genug. Gefordert wurden grundlegende Reformen, die mehr Bildungsgerechtigkeit und demokratischere Hochschulstrukturen ermöglichten. In Nordrhein-Westfalen führte dies u.a. zur Errichtung von fünf Gesamthochschulen in Duisburg, Essen, Siegen, Paderborn und Wuppertal im Jahr 1972. Die Gesamthochschule vereinte Fachhochschule und Universität unter einem Dach und eröffnete durch „integrierte Studiengänge“ einen direkten Weg vom Fachhochschulstudium zur Promotion.
Dass der neue Hochschultypus nicht überall als ausreichende Umsetzung einer Bildungsreform angesehen wurde, zeigt dieser offene Brief. Die Kritik der Gesamthochschule als vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung aufgestülpten halbgare Problemlösung, welche in erster Linie eine zentralisierte und direkt vom Ministerium gesteuerte Hochschullandschaft schaffen solle, war nicht untypisch. Auch die oft geforderte aber an der Gesamthochschule nicht umgesetzt Drittelparität in der Besetzung der Hochschulorgane stand in der Kritik.
Der in der Sprache der stark politisierten Studierendenschaft seiner Zeit verfasste Brief ist beispielhaft für die von Protesten und Streiks begleitete turbulente Gründungszeit der Gesamthochschule Essen.
Signatur: ZNR 206 – Nr. 1
Campusbau im Schnelldurchlauf
Rationalisierung und Flexibilisierung der höheren Bildung gehörten zu den Aufträgen, welche den 1972 in Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen und Wuppertal gegründeten Gesamthochschulen mit auf den Weg gegeben wurden.
Auch die Hochschulbauten der neuen Gesamthochschulen spiegeln diese Ziele wieder. An allen Standorten (mit Ausnahme Duisburgs) kam ein von der Zentralen Planungsstelle zur Rationalisierung von Landesbauten (ZPL) erarbeitetes Baukonzept zur Umsetzung. Dieses ermöglichte einen aus vordefinierten Elementen zusammengebauten modularen Aufbau des Campus. Der Einsatz dieser genormten Bauelemente sollte Kosten sparen und einen schnellen Ausbau ermöglichen.
Tatsächlich konnte der Aufbau des Essener Campus bereits 1977 – nach nur fünf Jahren – abgeschlossen werden. Der auf dem Foto zu sehende, typische nach „ZPL-System“ konstruierte Hochschulcampus stand in den Augen von Kritiker:innen allerdings sinnbildlich für die neue, durchrationalisierte Massenuniversität.
Eine runde Sache
Als 1972 die Gesamthochschule Duisburg errichtet wurde, waren die Baupläne für einen neuen Hochschulbau im Stadtteil Neudorf, welcher 10.000 Studierenden Platz bieten würde, bereits angefertigt. Tatsächlich sollte es nie zur Umsetzung dieses riesigen Gebäudekomplexes kommen. Das Land NRW und die Kommune hatten die Rechnung ohne einen Sportclub gemacht, an den Teile der verplanten Baufläche verpachtet worden waren und welcher hartnäckig alle von der Stadt Duisburg angebotenen Alternativstandorte ablehnte.
Ein neues Hochschulbaukonzept musste her. Das Ergebnis war einer der markantesten Campusse Deutschlands.
Die neue Bauplanung stellte eine klare Abkehr von den bisher in NRW favorisierten Modulbauten dar, welche etwa für die Hochschulen in Essen, Wuppertal oder Dortmund zum Einsatz kamen. Kreisrunde, miteinander verbundene Gebäude prägten stattdessen das Bild des Campus Duisburg. Die Bauten wurde bewusst niedrig gehalten, womit einer Kritik der Neudorfer Anwohner:innen an den ursprünglich geplanten Hochhäusern nachgekommen wurde. Auch die verbauten roten Ziegel sollten dabei helfen, die Gebäude optisch an den vorhandenen Neudorfer Gebäudebestand anzupassen.
Die Fotografie zeigt einen der typischen Innenhöfe, welche als Treff- und Erholungsräume fungieren. Aufgenommen wurde sie im Jahr 1986, als der Bau der umgangssprachlich liebevoll genannten „Keksdosen“ abgeschlossen werden konnte.
Bibliotheksbau in Bewegung
Als 1972 durch die Zusammenlegung der Fachhochschule Duisburg und der Abteilung Duisburg der Pädagogischen Hochschule Ruhr die Gesamthochschule Duisburg entstand, wurden auch zwei bisher separate Hochschulbibliotheken fusioniert.
Die neue Gesamthochschulbibliothek war anfangs räumlich getrennt und benötigte einen neuen, zentralen Bibliotheksbau. Dessen Umsetzung verzögerte sich aber zusammen mit den Plänen für den gesamten Duisburger Hochschulbau.
Erst 1980 konnte mit dem Bau einer Bibliothekszentrale begonnen werden. Am 6. Mai wurde die hier zu sehende Grundsteinlegung durchgeführt. Selbst in dem, auf den Aufnahmen zu sehenden, sehr frühen Bauzustand ist das markante, oktagonförmige Konstruktionsraster des Gebäudes bereits erkennbar. Im Mai 1983 konnte das fertiggestellte Gebäude schließlich eröffnet werden.
Die von einem Angestellten der Zentralen Planungsstelle zur Rationalisierung von Landesbauten gemachten Aufnahmen geben einen seltenen Einblick in die Aufbauphase des Campus Duisburg.
Signatur: ZNR 231 – Nr. 1
Universität und Tradition
Bereits in der Frühen Neuzeit war Duisburg Universitätsstadt gewesen. Die 1655 eröffnete Academia Duisburgensis verfügte über Fakultäten für Theologie, Jura, Medizin und Philosophie. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte ein zunehmender Bedeutungsverlust ein, der schließlich in der Schließung der Alten Universität im Jahr 1818 mündete. Insignien wie Zepter und Siegel, aber auch die Bestände von Universitätsbibliothek und -archiv wurden damals an die neugegründete Rhein-Universität in Bonn übergeben.
Obwohl es sich um keine direkte Vorgängereinrichtung der Universität – Gesamthochschule – Duisburg handelte, bemühten sich Stadt und Hochschule Traditionslinien zwischen alter und neuer Universität zu konstruieren. Auf dem Foto ist die Übergabe einer im Rahmen dieser Erinnerungskultur geschaffenen Nachbildung des Zepters der Alten Universität zu sehen. Das Bild steht stellvertretend für die traditionsbildenden Bemühungen, eine Aufwertung der Universität – Gesamthochschule – Duisburg in der öffentlichen Wahrnehmung zu erreichen.